
«Ich hoffe, es wird eine Initialzündung!»
Daniel Schenker und Heinz Saurer sind beide Trompeter – der eine spielt im Zurich Jazz Orchestra, der andere im Tonhalle-Orchester Zürich. Vor dem gemeinsamen Auftritt trafen sie sich zum Gespräch.
Am tonhalleAIR werden eure Orchester erstmals gemeinsam auftreten. Wie ist es bei euch persönlich? Habt ihr schon zusammengespielt?
Daniel Schenker: Bisher nicht. Aber ich gehe sehr oft in die Tonhalle, und auch sonst habe ich Heinz schon in vielen Konzerten gehört.
Heinz Saurer: Ich war gerade kürzlich wieder im Moods, für eine Plattentaufe des ZJO. Vom Hören kennen wir uns auf jeden Fall gut.
Wie kam denn dieses Projekt zustande?
HS: Ich hatte unserer Leitung eine solche Zusammenarbeit schon vorgeschlagen, als wir noch in der Tonhalle Maag waren. Das Moods war da direkt nebenan, das hätte perfekt gepasst. Damals hat es aber nicht geklappt. Umso mehr freut es mich, dass es nun doch noch funktioniert! Und ich bin nicht der Einzige. Das Interesse an dem Projekt war gross bei uns im Orchester.
DS: Wir freuen uns ebenfalls sehr auf den gemeinsamen Auftritt. Ich bin sicher, dass das für beide Seiten eine gute Erfahrung wird. Unser Leiter Ed Partyka hat übrigens in Finnland schon ähnliche Projekt mit Bigband und klassischem Orchester gemacht. Das wird vieles erleichtern.
Was sind denn die grössten Unterschiede zwischen den beiden Orchestern?
HS: Das Tenü! Nein, im Ernst: Der grösste Unterschied ist sicher die Improvisation. Wir spielen ausschliesslich nach Noten. Neben dem Orchester habe ich immer wieder Anläufe genommen, um das Improvisieren zu lernen, unter anderem mit Hilfe von Kollegen aus dem ZJO. Aber das ist wirklich hohe Schule.
DS: Ansonsten ist der Unterschied von der Arbeitsweise her gar nicht so gross. Auch wir müssen üben, zusammen mit einem Dirigenten einen gemeinsamen Groove finden und im Konzert abliefern – halt in einer anderen musikalischen Sprache. Vor allem die Swing-Phrasierung braucht sehr viel Erfahrung, bis man die draufhat.
HS: Wenn wir bei den Gemeinsamkeiten sind: Das Niveau ist in beiden Ensembles hoch.
DS: Es gibt auch musikalische Parallelen. Ich habe mich in letzter Zeit viel mit dem «jeu inégal» im französischen Barock beschäftigt, also mit der «ungleichen» Gestaltung von regelmässigen Notenwerten, die wir auf andere Weise ebenfalls kennen. Mozart hat seine Kadenzen einst improvisiert. Und in Rachmaninows Klavierkonzerten gibt es Akkorde, die im Jazz erst 50 Jahre später aufgekommen sind.
Ihr seid beide Trompeter. Wie seid ihr dort hingekommen, wo ihr jetzt seid?
HS: Ich komme ursprünglich aus der Blasmusik- und Bigband-Szene. Im Studium hat sich das zugunsten der Klassik dann ein bisschen verflüchtigt; aber im Auto höre ich immer noch ausschliesslich solche CDs. Ein Teil meines Herzens schlägt definitiv für den Jazz.
DS: Bei mir fing es dagegen klassisch an. Meine Mutter war ein Fan von Maurice André, und für sie war klar, dass ich als ältester Sohn Trompete spielen sollte. Aber danach war auch für mich die Blasmusik wichtig, wir hatten dazu eine Dixieland-Band, da war es ganz selbstverständlich, frei zu spielen.
HS: Heute ist übrigens auch die Ausbildung gegenüber früher viel offener und genre-übergreifender. Das Gefälle zwischen den Stilen ist verschwunden.
DS: Vor vierzig Jahren war es noch so, dass die Klassiker ihren Studierenden den Jazz verboten haben, weil man dabei «den Ansatz kaputt macht». Heute begegnet man sich auf derselben Ebene, im wörtlichen Sinn: Ich unterrichte an der ZHdK auf demselben Stockwerk wie die Klassiker.
Wie spielt ihr denn nun am tonhalleAIR? Ausschliesslich nach Noten oder auch improvisiert?
DS: Es gibt improvisierte Passagen in den Noten. Vielleicht übernimmt Heinz ja eine?
HS: Da werde ich grad nervös, wenn ich das höre.
DS: Wir werden sehen. Sicher ist, dass wir gemischt sitzen. Es wird wirklich ein Miteinander, kein Nebeneinander.
HS: Und ich hoffe, es ist eine Initialzündung! Man könnte so viel machen, in ganz unterschiedlichen Settings, auch in kleineren Formationen. Es wäre schön, wenn die Zusammenarbeit nach dem tonhalleAIR weitergehen würde.