Zum Tod von Peter Hagmann

Er war neugierig bis zuletzt

Der ehemalige Musik-Redaktor der «Neuen Zürcher Zeitung» ist 75-jährig gestorben.

Peter Hagmanns letzter Besuch in der Tonhalle Zürich galt im vergangenen Januar dem jungen Leonkoro-Quartett. Die Kritik zum Konzert in seinem Blog «Mittwochs um zwölf» war dann typisch für ihn: In seiner klaren, unaufgeregten und eleganten Sprache beschrieb er nicht nur, was er gehört hatte. Er analysierte auch, in welcher ästhetischen Tradition dieses Ensemble steht. Und weit über die Frage nach gut oder weniger gut hinaus vermittelte er den «unerhört kompakten, warmen, sinnlichen Ton» und machte die «Ecken und Kanten» der Interpretation spürbar.

Typisch war dabei auch, dass er sich – nach Jahrzehnten musikkritischer Tätigkeit – mit unverminderter Neugierde und Offenheit auf ein Nachwuchsensemble einliess. Peter Hagmann, geboren 1950 in Basel, promovierter Musikwissenschaftler und diplomierter Organist, sass seit 1972 in Tausenden von Konzerten, erst in seiner Heimatstadt, ab 1986 als Erster Musikkritiker der «Neuen Zürcher Zeitung». Von 1989 bis zu seiner Pensionierung 2015 prägte er das Feuilleton der NZZ als Redaktor und im ganzen deutschsprachigen Raum geschätzter Schreiber. Sein Wissen und seine Erfahrung waren immens; aber noch grösser waren seine nach all den Jahren unverminderte Begeisterung und sein kritisches Interesse für alles, was mit Musik zu tun hatte.

Damit war er auch für die musikalischen Institutionen ein ebenso unbestechlicher wie zugewandter Begleiter. Bevor Ilona Schmiel als Intendantin zur Tonhalle-Gesellschaft Zürich kam, besuchte er sie in Bonn: «Er wollte wissen, wer da nach Zürich kommt, er wollte den Übergang in der Leitung sorgfältig vorbereiten. Das hat mich gleich zu Beginn tief beeindruckt», sagt sie. Der Kontakt ging auch später weit über die Begegnungen im Konzert hinaus: «Im Hinblick auf unsere CD-Box zum 150-Jahr-Jubiläum haben wir uns im Radiostudio gemeinsam stundenlang durch das ganze Archiv gehört. Es war ein wunderbarer Austausch mit ihm.»

Interessiert, grosszügig, humorvoll

Auch sonst hatten viele aus dem Orchester und dem Management-Team mit ihm zu tun. Konzertmeisterin Julia Becker erinnert sich an einen Kritiker, «mit dem man wirklich diskutieren konnte: Er hatte seine Meinung, aber er interessierte sich auch für andere Pespektiven». Mit Michaela Braun, Leitung Marketing und Kommunikation, hatte er ein Ausprobieren auf der neuen Tonhalle-Orgel geplant, «es ist unglaublich traurig, dass es nun nicht mehr dazu kommt». Susanne Kübler, vor ihrem Wechsel zur TGZ langjährige Musikredaktorin des «Tages-Anzeigers», erlebte ihn nicht als Konkurrenten, sondern als Kollegen: «Als ich anfing, war er schon zwanzig Jahre im Geschäft – und enorm grosszügig, wenn es darum ging, Kontakte und Erfahrungen zu teilen. Und auch später, als die Situation im Kulturjournalismus immer schwieriger wurde, war er ein in jeder Hinsicht engagierter, freundschaftlicher Verbündeter.»

Katharine Jackson, die Peter Hagmann als Pressereferentin seit vielen Jahren kannte, erinnert sich an die erste Begegnung. «Das war im Museum Tinguely, inmitten der sich drehenden und ratternden Kunstwerke: Ein sehr grosser Mann, eine eindrückliche Erscheinung, gekleidet ganz in Schwarz. Als ich ihm das Jahre später erzählte, fragte er: Aber ich habe nicht gebissen, oder?» Auch das war typisch für Peter Hagmann: Seine Schlagfertigkeit, sein Humor und sein geradezu jugendlicher Schalk, der ihn vor drei Jahren dazu brachte, sich für ein Video für unseren Adventskalender in den allerkleinsten Raum in der Tonhalle Zürich zu setzen.

Für unseren Adventskalender setzte sich Peter Hagmann 2021 in die Kritikergarderobe.

In dieser Kritikergarderobe hat er jeweils seinen Hut und seinen Mantel deponiert, auch nach seiner Pensionierung bei der NZZ. Denn aufhören, das kam für Peter Hagmann nicht in Frage. Für seinen Blog «Mittwochs um zwölf» besuchte er weiterhin Konzerte in Zürich und anderswo, hörte Aufnahmen, teilte seine Entdeckungen. Und er plädierte mit jedem einzelnen Text für die Kraft der Sprache: Weder Fotos noch Videos noch Tonbeispiele gab es in diesen Kritiken, sondern nur den Dialog zwischen ihm und seinem Thema.

Wie persönlich dieser Dialog war, lässt sich in einem seiner letzten Texte nachlesen. Peter Hagmann besprach da die Uraufführung von Dieter Ammanns Bratschenkonzert im Basler Stadtcasino. «Vom Abschiednehmen» hatte er als Titel dafür gewählt, und obwohl er das Werk als Hommage an den verstorbenen Komponisten Wolfgang Rihm deutete, dürfte er es auch auf sich selbst bezogen haben: «Was für traurige Musik klingt hier. Und was für unerhört schöne.»

Nun ist Peter Hagmann nach schwerer Krankheit gestorben. Wir alle – die Intendantin Ilona Schmiel und Music Director Paavo Järvi sowie die Mitglieder der Geschäftsleitung, des Management-Teams und des Orchesters – sind tief betroffen. Wir werden ihn vermissen und gerne und dankbar an die Begegnungen mit ihm zurückdenken.

veröffentlicht: 11.06.2025

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