Klaidi Sahatçi (Foto: Paolo Dutto)
Musiker*innen und ihre Violinen

Geigengeschichten – Teil 1

Dass viele Geigen aus Italien stammen, ist bekannt. Aber Ägypten? Doch, auch das gibt es.

Welche Violinen werden in unserem Orchester gespielt? Wer hat sie gebaut, und was für einen Charakter haben sie? In userem Geigen-Schwerpunkt erzählen zehn Musiker*innen von ihren Instrumenten: Hier sind es Isabel Neligan, Klaidi Sahatçi und Amelia Maszonska-Escobar. Die Fotos stammen von Paolo Dutto.

Isabel Neligan, 2. Violine

Marco Dobretsovitch, Alexandria 1933

«Es gibt nicht viele Geigen, die in Ägypten gebaut wurden, ich habe eine davon. Es ist eine superschöne Arbeit von Marco Dobretsovitch; er stammte aus Montenegro, wanderte 1914 nach Kairo aus, ging später für seine Ausbildung nach Bologna und kehrte dann wieder nach Ägypten zurück. Mit einem anderen Namen wäre das Instrument bestimmt doppelt so teuer gewesen … Gefunden habe ich es vor 15 Jahren bei einem Lausanner Geigenbauer. Ich konnte es lange ausprobieren, bevor ich mich entschliessen musste. Das war ideal, denn ich suche bei einer Violine nicht nur den ‹schönen› Grundklang; sie soll vor allem flexibel sein, sodass ich ganz unterschiedliche Farben und Stimmungen erzeugen kann. Das geht mit dieser Geige tatsächlich. Ich hoffe deshalb sehr, dass ihr nie etwas Schlimmes zustösst – so spannend die Suche war, ich möchte nicht so schnell wieder von vorne anfangen.»

Klaidi Sahatçi, 1. Konzertmeister

Stradivari «Wieniawski, Bower», Cremona 1719, Leihgabe

«Meine Geige hat ihren Namen vom Violinisten und Komponisten Henryk Wieniawski, der sie einige Zeit gespielt hat; er war im 19. Jahrhundert so etwas wie ein polnischer Paganini. Sie hat den typischen hellen Stradivari-Klang, doch es ist ein freundlicher, runder Klang: nicht aggressiv, auch nicht arrogant. Einmal wurde ich in den polnischen Kurort Szczawno-Zdrój eingeladen, in dem Wieniawski jeweils seine Sommer verbrachte. Ich spielte dort seine ‹Légende›, auf seinem Instrument und im gleichen Saal, in dem er aufgetreten war. Das war ein sehr berührender Moment, ein Traum. Für mich ist es eine enorme Chance, diese Violine zu spielen, aber auch eine grosse Verantwortung. Oft werde ich gefragt, wie teuer sie sei. Dann sage ich immer, sie habe keinen Preis: Wenn ihr etwas passiert, kann man sie mit keinem Geld der Welt neu kaufen.»

Amelia Maszonska-Escobar, 2. Violine

Enrico Orselli, Ferrara 1925

«Meine Violine ist exakt 100 Jahre alt und eine Eugenio-Degani-Kopie. Ich habe sie vor drei Jahren bei der Geigenbauerin Marysia Porebska-Synowietz in Wiesbaden entdeckt, bei der ich einst mit 16 Jahren mein erstes Instrument erstanden habe. Ich schätze sie sehr, weil sie einem nicht die teuerste Violine verkaufen will, sondern eine, die wirklich passt. In diese hier habe ich mich sofort verliebt, sie hat eine wunderbar kraftvolle Tiefe – als Geigerin ist man ja immer ein wenig neidisch auf den Cello-Klang. Ich habe diese schnelle Entscheidung nie bereut, im Gegenteil: Da die Geige eine Weile nicht gespielt worden war, wurde sie in den ersten Monaten immer besser. Doch ich hänge nicht so sehr an Dingen; im Moment käme es mir nicht in den Sinn, sie wegzugeben, aber vielleicht ändert sich das irgendwann. Es ist bei einem Instrument wie beim Essen: Plötzlich mag man etwas anderes.»

veröffentlicht: 17.04.2025

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