Der Perkussion-Pyrotechniker Martin Grubinger zündet mit Daníel Bjarnasons Schlagzeugkonzert ein Feuerwerk der Superlative – und beendet seine grosse Karriere als Solist.
«Wenn man diese Schwelle überschreitet und nur noch das eigene Herz schlagen hört, wenn man nichts mehr um sich herum bewusst wahrnimmt, wenn du die Erschöpfung überwindest»: So beschreibt Martin Grubinger im Filmporträt von Victor Grandits den Moment, wenn er auf der Bühne alles gibt. Es sei, «als würde man zwischen den Welten wandeln». Die Wortwahl eines Extrem-Musikers?
Martin Grubinger verlangt viel von sich und allen, die mit ihm seine Programme bestreiten. Er reizt die technischen und musikalischen Limits aus – nicht nur im Konzert, sondern auch bei der Probenarbeit. Die konzertfreie Zeit setzt sich zusammen aus Üben, Üben, Üben, bis zu zehn Stunden am Tag, plus Sport.
Anders könnte man Marathonprogramme wie «The Big Six» mit seinem Percussive Planet Ensemble gar nicht bewältigen. Gleich sechs Schlagzeug-Meisterwerke brachten sie in der Saison 2016/17, als Martin Grubinger Artist in Residence beim Tonhalle-Orchester Zürich war, in der Grossen Tonhalle auf die Bühne. Sieben Stunden Musik am Stück: Ein «ziemlich abgefahrenes Projekt», gibt auch Martin Grubinger zu.
Doch es sind genau diese musikalischen Höchstleistungen, mit denen der Perkussionist die solistischen Qualitäten seines Instruments ins Rampenlicht rückt. Jahrhundertelang wurden sie vernachlässigt, nun inspiriert Martin Grubinger zahlreiche Komponisten wie Friedrich Cerha, Péter Eötvös (Creative Chair 2016/17) oder den Isländer Daníel Bjarnason zu Konzerten für Schlagwerk und füllt mit zeitgenössischen Programmen die grossen Säle.
Martin Grubingers Überzeugungskraft ist nicht nur am Instrument wirkungsmächtig. Auch neben der Bühne vertritt er eine deutliche Haltung, sei es als leidenschaftlicher Kolumnist der «Kronen Zeitung», als Moderator der TV-Sendung «Klick- Klack» im Bayerischen Rundfunk oder als aktiver Mitgestalter seiner Umwelt. «Als Künstler kann man sich nicht mit Despoten und Unterdrückern zusammentun und die Vorteile dieser Systeme nutzen», äusserte er sich 2019 gegenüber der Neuen Zürcher Zeitung. Schliesslich sei das Vielfältige, Multikulturelle auch die «Ur-DNA» seines Instruments. Der stilistische Reichtum von lateinamerikanischen Tänzen über African Percussion, japanischem Taiko Drumming oder Rock bis hin zu klassischer Orchesterliteratur scheint grenzenlos, das Spektrum an Instrumenten hält für den Multi-Perkussionisten stets etwas Neues bereit.
Das Schlagzeug ist alles für den Österreicher. Mit seinem Vater, Martin Grubinger senior, hatte er stets einen professionellen Schlagzeuger im Haus, sodass der Junior praktisch mit vier Schlägeln in den Händen aufwuchs. Doch die Intensität seines Spiels, der man sich im Publikum nicht entziehen kann, kommt gewissermassen mit einem «Ablaufdatum». Schon mehrmals deutete er an: «Mit 40 Jahren ist Schluss».
Während andere Virtuosen noch weit über das Pensionsalter auftreten, nimmt Martin Grubinger nun also seine letzte Saison in Angriff, dann fällt der Vorhang endgültig. Dass der aufgeschlossene Musiker mit seiner Professur am Mozarteum in Salzburg und zahlreichen Projekten nach wie vor inspirieren wird, versteht sich von selbst.
