Illustration: Jil Wiesner
«Kunterwunderbunt»

«Kinder können viel mehr verstehen als Erwachsene»

Der Komponist Rodolphe Schacher über unser neues Familienprojekt.

Interview: Susanne Kübler

Rodolphe Schacher, Sie haben schon etliche Werke für Kinder komponiert – was ist anders als bei «erwachsenen» Werken?

Man kann alles machen! Darum finde ich es so schön, für Kinder zu komponieren. Sie können viel mehr verstehen und akzeptieren als Erwachsene, sie haben keine Erwartungen an die Musik. Wenn etwas modern klingt, ist das für sie einfach anders, aber ich habe noch nie ablehnende Reaktionen erlebt. Der Konflikt zwischen zeitgenössischer und tonaler Musik ist für sie schlicht kein Thema. So kann im gleichen Stück alles stattfinden.

Welche Musik haben Sie selbst als Kind am liebsten gehört?

Mozarts «Kleine Nachtmusik», das war die perfekte Musik für mich. Auch sonst hörte ich vor allem klassische und barocke Werke. Es gab damals ja noch viel weniger Aufführungen und Stücke für Kinder als heute.

Jetzt haben Sie mit der Musik zu «Kunterwunderbunt» selbst eine neue Werkreihe geschaffen. Wie ist das Projekt entstanden?

Am Anfang stand der Text von Nelly Danker, die auch Regie führt. Das Mädchen Yvi entdeckt darin die Welt der Farben – eine schlichte Idee, die aber in vier wirklich schönen Geschichten erzählt wird. Man kann sich in jedem Moment etwas vorstellen dabei, und mir ging es darum, diese Vorstellungen in Musik umzusetzen. Insgesamt sind es in den vier Teilen über vierzig Stücke, die teilweise über Leitmotiven verbunden sind; die Musik sollte logisch sein. Aber das muss man gar nicht unbedingt merken. So wie die Geschichten der einzelnen Teile für sich stehen können, macht es auch bei der Musik nichts aus, wenn man einen Teil verpasst.

Welche Vorgaben hatten Sie für die Besetzung?

Klar war nur, dass die ersten drei Teile – die in Gemeinschaftszentren der Stadt Zürich zur Aufführung kommen – kammermusikalisch besetzt sein sollen. Das war neu für mich, meine bisherigen Kinderstücke sind meist für Orchester entstanden. Die konkreten Besetzungen habe ich dann mit Yvonne Gisler von der Musikvermittlung besprochen. Wir kamen auf ganz unterschiedliche Ensembles: Im ersten Teil spielen Flöte, Fagott und Harfe, im zweiten ein Blechbläser-Quintett, im dritten eine Geige, ein Violoncello, eine Klarinette und Marimba beziehungsweise Vibraphon. Wenn es um Farben geht, braucht es auch viele Klangfarben.

Mit welcher Farbe haben Sie denn beim Komponieren angefangen?

Mit Grau! Ich habe tatsächlich mit der ersten Nummer der ersten Geschichte begonnen. Yvi langweilt sich in dieser Szene, und entsprechend langweilig soll die Musik klingen. Das war eine lustige Aufgabe, denn normalerweise will man ja spannende Musik komponieren. Und es war ein guter Einstieg.

Und wie ist der Ausstieg? Das Finale der Reihe findet mit einem grösseren Ensemble in der Kleinen Tonhalle statt.

Im Moment bin ich noch daran, die Partitur für diesen letzten Teil fertigzustellen. Die Arbeit macht mir immer noch enorm Freude: weil es so ein schönes Projekt ist. Und weil ich seit dem Elemente-Zyklus mit Linard Bardill vor 15 Jahren davon geträumt habe, wieder einmal etwas für dieses Orchester zu komponieren.

Rodolphe Schacher

Der französisch-schweizerische Komponist und Pianist hat sich insbesondere mit seinem sinfonischen Schaffen, mit Filmmusiken und Werken für Kinder einen Namen gemacht. Seine Beziehung zum Tonhalle-Orchester Zürich reicht zurück bis ins Jahr 2005: Damals verlieh ihm der Chefdirigent David Zinman ein Stipendium, das eine Einladung zum Festival in Aspen zur Folge hatte. 2008/09 entstand dann der Elemente-Zyklus «Feuer, Erde, Wasser, Luft» mit Linard Bardill, der in vier Familienkonzerten und dem Abschlusskonzert «Die Rose von Jericho» in der Tonhalle Zürich zur Aufführung kam. Im Zyklus «Kunterwunderbunt» setzt er die Zusammenarbeit mit dem Orchester nun fort.

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veröffentlicht: 14.10.2024

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