Igudesman & Joo (Foto: Julia Wesely)
Igudesman & Joo

Die Schönheit der Welt: Finale

Das Musiker- und Komiker-Duo Igudesman & Joo hat entschieden, mit der Revolutionierung der Konzertwelt abzuschliessen. Ein Rückblick und ein Ausblick auf die Coda sollen beim Abschiednehmen helfen.

Katharine Jackson

Wer es noch nicht mitbekommen hat, dem sei es hier in aller Brutalität eröffnet: Igudesman & Joo beenden in den kommenden Monaten ihre gemeinsame Zeit. Game over. Schluss mit lustig. Einmal tief durchatmen. Und für jene, die sich fragen, worum es eigentlich geht, sei hier von ihrer jahrelangen Mission erzählt.

Hyung-ki Joo und Aleksey Igudesman lernten sich in England kennen, als sie noch Kinder waren. Beim Vertilgen einer Portion Fish und Chips erkannten sie, wozu sie sich berufen fühlten:

«Während unseres Studiums an der Yehudi Menuhin School hatten wir beide das Gefühl, dass sich die Welt der klassischen Musik viel zu ernst nimmt. Ein Konzertbesuch ähnelt oftmals mehr einer Beerdigung als einer Feier des Lebens. Zwar ist ein grosser Teil der Musik tatsächlich sehr ernst und tragisch, aber die ganzen Formalitäten, welche die klassische Musik umgeben, müssen deswegen nicht so seriös und elitär sein. Unser Traum war es, dies zu ändern.»

Gesagt, getan. In ihren Bühnenshows, die sie immer mehr perfektionierten, kombinierten sie bekannte Werke der klassischen Musik mit Gesten und Ritualen des Klassikbetriebs sowie Zitaten aus der Popkultur. Und regelmässig schlossen sich dem Duo international berühmte Musiker*innen als Gäste an. Es kursieren beispielsweise Filme auf Youtube mit der Starpianistin Yuja Wang, die mit Igudesman & Joo rappt, Breakdance tanzt und sich auf dem Klavier halb räkelt. Billy Joel, Hans Zimmer oder John Malkovich sind weitere Grössen des Showbusiness, die mit den beiden im Verlauf ihrer Karriere zusammenarbeiteten. Einladungen zu renommierten Orchestern weltweit und mehr als 50 Millionen Klicks auf YouTube zeugen von ihrem Erfolgsrezept, die Konventionen der Klassikwelt auf ihre ganz eigene Weise aufzubrechen.

Auch zum Tonhalle-Orchester Zürich haben Igudesman & Joo eine enge Beziehung. Im Juni 2018 präsentierten sie in der Tonhalle Maag mit «A Historical and Hysterical Guide to the Orchestra» und «Clash of the Soloists» unter der Leitung von Joshua Weilerstein zwei Uraufführungen, die von der Tonhalle-Gesellschaft Zürich in Auftrag gegeben wurden und die ihr gewidmet sind.

Humor und Ironie sind individuell und vielleicht eine wilde Mischung aus Intelligenz, Anarchie und kindlichem Spieltrieb. Stark geprägt sind sie von der kulturellen Herkunft, der Erziehung und den Erfahrungen, die man im Leben so macht. Was hat Igudesman & Joo in jungen Jahren jeweils beeinflusst?

Hyung-ki Joo ist ein Brite, der koreanisch aussieht. «Oder andersherum, oder beides», wie er von sich selbst sagt. Im Alter von Achteinviertel begann er mit dem Klavierunterricht und zwei Jahre später erhielt er einen Platz an der bereits erwähnten Yehudi Menuhin School. Joo musste feststellen, dass ihn Genies und Wunderkinder umgaben. Er war daraufhin überzeugt, dass man ihn bald von der Schule werfen würde. Verschärfend hinzu kamen noch seine kleinen Hände – nicht so ideal für einen Pianisten. Letztendlich hielt er aber nicht nur dem Druck stand, seine Liebe zur Musik wurde im Studium sogar noch gestärkt.

Regelmässig gehänselt wurde Joo von Aleksey Igudesman. Auch er musste schon als Junge mit einigen Herausforderungen klarkommen. Igudesman wurde 1973 in Leningrad geboren und ist jüdischer Abstammung. Als er ein kleiner Junge war, verliess er mit seiner Familie die Sowjetunion und emigrierte nach Europa. Sein Vater und Mentor fand als Geiger in Bremerhaven eine Stelle. Wenige Jahre später, als Igudesman elf Jahre alt war, starb sein Vater. Durch die Unterstützung seiner Mutter – eine Pianistin – gelang es dem Zwölfjährigen, an der Schule des berühmten Geigers Yehudi Menuhin aufgenommen zu werden. Parallel zum Geigenstudium las er alle Theaterstücke von George Bernard Shaw, dem Meister der satirischen Überspitzung. Ein weiterer für ihn prägender Dramatiker war der Russe Anton Tschechow.

Das Tragisch-Komische, das Groteske und das Chaos sind wesentliche Elemente in der Arbeit von Igudesman & Joo. Für das Duo ist es stets wichtig, wie man auf die Welt schaut. Und ihre Perspektive ist eine positive:

«Eigentlich ist die Welt lustig. Es kommt nur darauf an, wie man sie betrachtet. Humor ist überall, selbst in den dunkelsten Momenten. Wir haben immer daran geglaubt, dass Lachen ein Heilmittel ist, und wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, die Absurdität selbst in den ernstesten Dingen hervorzuheben. Eine verpasste Note, ein vergessener Satz – all das ist Teil der grossen Komödie des Lebens. Der Trick besteht darin, zu lernen, darüber zu lachen, und dann fühlt sich die Welt plötzlich ein wenig leichter an.»

Und warum kommt dieser Spass zu einem Ende?

«Nach 20 Jahren, in denen man sich über Mozart, Beethoven und alle anderen lustig gemacht hat, wird einem klar, dass es nur eine begrenzte Anzahl von Möglichkeiten gibt, sie witzig zu gestalten. Um kreativ voranzukommen, muss man sich auf neues Terrain begeben. Aber keine Sorge, wir werden weiterhin hinter den Kulissen aktiv sein, Projekte kuratieren und bisher unveröffentlichtes Material, das wir im Laufe der Jahrzehnte angesammelt haben, veröffentlichen. Es wird noch mehr Lachen und Musik geben, nur in einer anderen Form.»

Ihre letzte Show in der Tonhalle Zürich trägt den Titel «CODA – The Final Nightmare Music» und da wollen Igudesman & Joo als Duo noch einmal alles geben.

april
So 06. Apr
17.00 Uhr

Kosmos Kammermusik: Igudesman & Joo

Igudesman & Joo, Aleksey Igudesman Violine, Hyung-ki Joo Klavier, Philipp Treiber sound engineer Igudesman & Joo
veröffentlicht: 31.03.2025

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