Frage 28

Was ist eigentlich Kolophonium?

Wer ein Streichinstrument spielt, hat stets ein Stück Harzextrakt dabei.

Susanne Kübler

Die beste Geige, ein entsprechender Bogen und alle musikalischen Qualitäten helfen nichts, wenn ein unscheinbares Stücklein Harzextrakt fehlt: das Kolophonium. Es sorgt dafür, dass sich die Schuppen der an sich glatten Pferdeschwanzhaare aufstellen, mit denen der Bogen bespannt ist. Erst so entsteht beim Strich über die Saiten jene Reibung, die den Klang erzeugt. Ohne Kolophonium würde man nicht viel mehr als ein Fiepen zustande bringen.

Kein Wunder, versuchen die Kolophonium-Hersteller das Material als luxuriös zu vermarkten. Die teuersten Stücke kosten bis zu 100 Franken, sie sind stilvoll verpackt in einem Ledertäschchen, einer umweltfreundlichen Korkhülle oder einer Echtholzdose in Violinform. Und das Vokabular, mit dem ihre Vorzüge gepriesen werden, erinnert an die poetischen Exzesse auf Weinetiketten: Kolophonium kann reichhaltig oder harmonisch sein, sanft und warm, strahlend klar. Hier wird ein Originalrezept gepriesen, dort ein verführerisch-inspirierender Ton versprochen, und auf den Verpackungen verweisen Bezeichnungen wie «Solo», «Deluxe» oder «Paganini» auf Hochklassiges.

Ob alle diese Premium-Produkte tatsächlich besser sind als jene, die man für 15 Franken oder noch weniger in einer Kartonbox erhält: Darüber gehen die Meinungen auseinander. Sicher ist dagegen, dass die richtige Dosierung zählt. Zu wenig Kolophonium lässt den Klang dünn und brüchig werden, bei zu viel wird er kratzig und rau.

Wer nun denkt, dass das «phon» im Kolophonium mit dem Ton zu tun hat, liegt trotzdem falsch. Der Name bezieht sich auf die längst untergegangene ionische Stadt Kolophon, die heute in der türkischen Provinz Izmir liegen würde und ihren Reichtum unter anderem dem aus den Nadelholzbäumen gewonnenen Harzprodukt verdankte. Von der Erfindung der Violine war man damals noch etwa zwei Jahrtausende entfernt, das Kolophonium war in ganz anderen Zusammenhängen nützlich. Das ist es bis heute: In der einen oder anderen Form sorgt es für bessere Haftung bei Handbällen und Ballettschuhen, es findet sich als Ingredienz in Leimen und Lacken und kommt bei der Enthaarung von Schweinen und beim Brazilian Waxing zum Einsatz. Auch bei der Herstellung von Pyrotechnik spielt es eine Rolle.

Gewonnen wird es in einem an sich einfachen chemischen Prozess: Das Baumharz wird per Wasserdampfdestillation in zwei Komponenten geteilt – in flüchtiges Terpentinöl einerseits, in den nichtflüchtigen Rückstand Kolophonium andererseits. Dieser Rückstand kann gelblich, rötlich, bräunlich oder ganz dunkel sein, er splittert, wenn er hart aufprallt, und staubt, wenn ein Bogen darüberstreicht. Manchmal wird ihm Metall beigemischt, natürlich nicht irgendeines, sondern zum Beispiel Meteoreisen, das den Klang brillanter und kräftiger machen soll. Gold, Silber oder Kupfer werden ebenfalls verwendet, und manche Hersteller experimentieren mit Partikeln von Bergkristallen oder Aquamarin.

Spätestens hier ist allerdings daran zu erinnern, dass der Beginn dieses Beitrags auch in der Umkehrung gilt: Selbst das edelste Stück Kolophonium hilft nichts, wenn eine gute Geige, ein passender Bogen und die musikalischen Qualitäten fehlen.

veröffentlicht: 17.04.2025