Warum stehen die plötzlich anders?
Auf einmal sind die Kontrabässe zuhinterst platziert. Das hat gute Gründe.
Wer derzeit ein Konzert bei uns besucht, dürfte sich erst einmal wundern: Hier sieht es ja ganz anders aus als bisher! Die Kontrabässe stehen plötzlich zuhinterst, verteilt über die ganze Breite der Bühne. Die Blechbläser sind eine Stufe nach unten gerückt. Und das Schlagzeug besetzt die Seiten.
Der Grund dafür liegt in einer Reihe von Tests, die vor einigen Wochen durchgeführt wurden. Die Sommerpause war eben erst vorbei, als sich das Orchester für einen Akustiktag versammelte, an dem es vor allem um zwei Fragen ging: In welcher Aufstellung klingt das Orchester am besten? Und in welcher fühlen sich die Musiker*innen wohl?
Auf den Notenpulten standen Werke von Brahms und Strawinsky, aber das war nicht so wichtig. Für einmal ging es nicht um die Finessen der Interpretation, sondern um angewandte Physik. Ganz unterschiedliche Aufstellungen wurden ausprobiert, Paavo Järvi und seine Assistant Conductor Margarita Balanas dirigierten abwechslungsweise. Wer nicht dirigierte oder spielte, war im Saal unterwegs: Wie klingt es im Parkett? Und wie auf der Galerie?
Die Musiker*innen hatten für den Tag ein Büchlein bekommen, in das sie ihre Beobachtungen notieren konnten. Auch jene, die sie im Orchester machten: Denn die Unterschiede können gross sein, je nachdem, welche Instrumente man hinter oder neben sich hat, welche in der Nähe sind und welche weit weg. Man hört sich selbst und die anderen besser oder weniger gut – oder braucht die Ohrstöpsel häufiger oder seltener.
Amerikanisch, deutsch oder wienerisch?
Es war das erste Mal, dass ein solcher Tag durchgeführt wurde. «Sehr wichtig und sehr interessant» sei er gewesen, sagt Music Director Paavo Järvi. Der Saal sei zu Recht berühmt für seine Akustik, «aber der Klang verändert sich sehr stark, je nachdem, wie das Orchester sitzt». Die Stufen auf der Bühne sind ziemlich steil angelegt, «da kann es heikel sein, wenn die Blechbläser und das Schlagzeug ganz oben platziert sind.» Grosse Besetzungen wirken anders als kleine, ein Solo-Instrument verändert das Gleichgewicht noch einmal: «Man muss sehr flexibel sein».
Früher war man das kaum. Als David Zinman noch Chefdirigent war, spielte das Orchester meist in der sogenannten amerikanischen Aufstellung, mit den ersten Violinen und den Violoncelli an der Rampe. Mit der Zeit hat sich dann eine zweite Variante etabliert, die deutsche, bei der sich die ersten und die zweiten Violinen vorne gegenübersitzen. Die Version mit den Kontrabässen hinten ist nun zwar keine Neuerfindung, man sieht sie zum Beispiel jeweils bei den Neujahrkonzerten der Wiener Philharmoniker. Aber in der Tonhalle Zürich kam sie bisher noch nie zum Zug.
Ob und bei welchen Werken sie sich bewährt, ist im Moment schwer abzuschätzen. Das Orchester muss sich erst einmal neu orientieren, jedes Konzert kann weitere Erfahrungen bringen. Das Pröbeln wird noch eine ganze Weile weitergehen, auch andere Aufstellungsvarianten sollen im Laufe der Saison getestet werden.
Für den Moment bleibt nur noch eine Frage: Was ist wichtiger, die Wirkung im Saal oder die klanglichen Bedingungen im Orchester? Für Paavo Järvi ist die Antwort klar: «Entscheidend ist, wie die Musik im Saal klingt. Wenn sich alle auf der Bühne wohl fühlen, aber das Publikum hört die Holzbläser nicht, ist das kaum sinnvoll.» Aber natürlich gehe es darum, die beste Möglichkeit für alle zu finden. Frei nach dem Motto: Die perfekte Lösung gibt es wohl nie, aber man kann sie ja trotzdem suchen.