Welche Komponisten heirateten Komponisten-Töchter?
Josef Suk war der Schwiegersohn von Antonín Dvořák. Und es gibt noch mehr bedeutende Duos.
Josef Suk und Antonín Dvořák
Er solle doch auch einmal etwas Heiteres komponieren, riet Antonín Dvořák seinem 18-jährigen Schüler Josef Suk, und tatsächlich: Suks nächstes Werk, eine Streicherserenade in Es-Dur, klingt tatsächlich heiter, lyrisch, sonnig. Das dürfte nicht nur mit Dvořáks Rat zu tun gehabt haben, sondern auch mit der Tatsache, dass sich Suk verliebt hatte – in Ottilie, die Tochter seines Lehrers. 1898 heirateten die beiden.
Sechs Jahre später starb Dvořák, und Suk widmete sich wieder düsteren Plänen. Seine zweite Sinfonie sollte den Todesengel «Asrael» im Titel tragen, als Hommage an seinen Schwiegervater. Es kam anders, denn «der furchterregende Engel des Todes schlug mit seiner Sense ein zweites Mal zu», wie Suk schrieb: Mit nur 27 Jahren starb Ottilie überraschend wegen eines Herzfehlers. «Solch ein Unglück zerstört entweder einen Menschen oder trägt alle schlafenden Kräfte in ihm an die Oberfläche», schrieb Suk. «Die Musik hat mich gerettet, und nach einem Jahr begann ich den zweiten Teil der Symphonie, beginnend mit einem Adagio, ein zartes Porträt von Otilka.»
Die Sinfonie, die so zu einem doppelten Requiem wurde und unter der Leitung von Jakub Hrůša demnächst in der Tonhalle Zürich aufgeführt wird, war dann gleichzeitig ein Neuanfang: Suk fand hier zu seinem eigenen, klangsinnlichen Stil.
Richard Wagner und Franz Liszt
1870 heiratete Richard Wagner Cosima, die uneheliche Tochter von Franz Liszt und der Gräfin Marie d'Agoult. Liszt war nur zwei Jahre älter als sein Schwiegersohn, die beiden kannten sich seit Jahrzehnten. Und nicht nur musikalisch waren sie zunächst enge Verbündete: Liszt verschaffte Wagner einen falschen Pass, als dieser wegen seiner Teilnahme an der 1848er-Revolution aus Dresden fliehen musste. Während Wagners Schweizer Exil-Zeit sorgte er dafür, dass dessen Werke in Deutschland aufgeführt wurden; in seinen eigenen Konzerten spielte er Transkriptionen davon.
Das freundschaftliche Verhältnis drohte zu zerbrechen, als Cosima wegen Wagner ihren ersten Gatten, den Liszt-Schüler Hans von Bülow verliess. Aber man fand sich wieder, zumindest vordergründig. Liszt bewunderte Wagners Werke, umgekehrt war das immer weniger der Fall. 1882 beschrieb Cosima in ihrem Tagebuch, wie Wagner sich über Liszts jüngste Kompositionen ausliess: «Er muss sie durchaus sinnlos finden und drückt das eingehend und scharf aus». Von «keimendem Wahnsinn» war die Rede, auch von «Missklängen».
Wagner starb 1883 in Venedig, Liszt drei Jahre später in Bayreuth, während den nun von Cosima geleiteten Festspiele. Sie liess weiterspielen, auf eine musikalische Trauerfeier wurde verzichtet. Nur für das Begräbnis holte man Anton Bruckner nach Bayreuth – der auf Geheiss von Cosima aber keine Musik von Liszt spielte, sondern Orgel-Improvisationen über Wagners «Parsifal».
Luigi Nono und Arnold Schönberg
1954 fand in Hamburg die konzertante Uraufführung von Arnold Schönbergs «Moses und Aron» statt. Schönberg, der sich seit seiner Emigration in die USA Schoenberg nannte, lebte damals schon nicht mehr; aber seine Witwe und seine Tochter Nuria waren da. Nach der Aufführung stellte sich ihnen ein damals 30-jähriger italienischer Komponist und Kommunist vor: Luigi Nono. Er hatte aufgrund der Partitur das Orchestermaterial erstellt und wollte Schönbergs Witwe kennenlernen.
Ein Jahr später heirateten er und Nuria. Damit gab es nun familiäre Verbindungen zwischen zwei der grössten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Und auch wenn sie sich nie kennen gelernt hatten, war Schönberg doch eine Präsenz in der Familie Nono. Sie sei für Nono nicht nur Nuria gewesen, sondern auch Schönbergs Tochter, sagte Nuria Schoenberg Nono einmal in einem Interview mit dem Magazin der «Süddeutschen Zeitung». Sie selbst hat Biologie studiert, aber die Erfahrungen mit Schönbergs Musik erleichterten ihr auch den Zugang zu Nonos Werken. «Und schon als Kind wusste ich: Wenn jemand komponiert, muss man ihn in Ruhe lassen.»
Später hat sie in Venedig das Archivio Luigi Nono aufgebaut, auch in den Schönberg-Institutionen in Los Angeles und Wien spielt sie eine aktive Rolle. Dazu ist sie über ihre Tochter Silvia noch in eine weitere interessante Familienkonstellation hineingeraten: Silvia war nämlich lange mit dem italienischen Regisseur Nanni Moretti verheiratet. Im Film «Aprile» treten sowohl sie als auch Nuria Schoenberg Nono auf.
Johann Christoph Altnikol und Johann Sebastian Bach
1749 heiratete Johann Christoph Altnikol in der Leipziger Thomaskirche die damals 22-jährige Elisabeth Juliana Friederica Bach. Deren Vater Johann Sebastian Bach war auch sein Lehrer gewesen und schätzte ihn offenbar: Jedenfalls schrieb er einmal, Altnikol sei ein Schüler, «dessen ich nicht zu schämen haben darf». Von Altnikols Werken sind nur ganz wenige erhalten – darunter zwei Motetten, vier Kantaten und eine Messe in d-Moll.
Bach selbst übrigens hat das Angebot, der Schwiegersohn eines grossen Komponisten zu werden, einst ausgeschlagen. Als Zwanzigjähriger war er nach Lübeck gewandert, um dort den berühmten Dietrich Buxtehude zu hören und sich als sein Nachfolger an der Marienkirche zu bewerben. Die Bedingung für die Nachfolge war allerdings die Hochzeit mit Buxtehudes damals 30-jähriger Tochter Anna Margareta. Bach, damals bereits verlobt mit seiner Cousine zweiten Grades Maria Barbara, suchte sich dann lieber eine andere Stelle.