Wie verkomponiert man eine Familie?
Die Antwort gibt es hier – und im Konzert mit Franz Welser-Möst.
«Mei' Frau ist oft arg ruppig, aber wissen S' , i brauch des»: Liebevoller als Richard Strauss kann man wohl nicht über eine Gattin sprechen, die auch von anderen Zeitgenoss*innen als nicht ganz einfacher Charakter beschrieben wurde. Pauline de Ahna, verheiratete Strauss, galt als jähzornig, taktlos, pedantisch, launisch. Aber Strauss brauchte sie tatsächlich: als grossartige Sängerin seiner Lieder – und als Inspiration für seine Musik.
So ist die Christine in seiner 1924 uraufgeführten Oper «Intermezzo» ein durchaus nicht nur schmeichelhaftes Porträt der Pauline Strauss. Und schon zwanzig Jahre davor hatte das «Bauxerl», wie Strauss sie nannte, in der «Symphonia domestica» einen denkwürdigen Auftritt. Es ist tatsächlich eine «häusliche Sinfonie», das Orchester erzählt in rund einer Dreiviertelstunde von einem Tag in der Familie Strauss, an dem geträumt und gestritten, gespielt und geliebt wird. Und nicht immer sind da nur Atmosphären vertont: Der Trotzanfall von Sohn Franz, der auch als Erwachsener noch «Bubi» genannt wurde, klingt jedenfalls fast so realistisch wie die Glockenschläge, mit denen Strauss die Zeit anzeigt.
Entsprechend reichen die Angaben in der Partitur oft über rein musikalische Hinweise hinaus. Sich selbst porträtiert der Komponist in den ersten Takten als «träumerisch», «mürrisch» und «feurig». Anders als in seiner früheren Tondichtung «Ein Heldenleben», die oft als ziemlich egomanisches Selbstporträt gedeutet wurde, outet sich Strauss in der «Symphonia domestica» als mal «gmögiger», mal durchaus auch grantiger Familienmensch.
Selbstbewusstsein – und Selbstironie
Allerdings schwingt das Ego auch in dieser Komposition mit – immerhin war Strauss der erste Komponist, der sich so unmissverständlich selbst vertonte. «Ich sehe nicht ein, warum ich keine Sinfonie auf mich selbst machen sollte. Ich finde mich ebenso interessant wie Napoleon oder Alexander«: Das Bonmot ist berühmt geworden. Aber es verrät nicht nur einiges über Strauss' Selbstbewusstsein: Der Dirigent Franz Welser-Möst, der die «Symphonia domestica» in der Tonhalle Zürich dirigieren wird, liebt dieses Werk jedenfalls sehr zu Recht «für seinen Humor und die oft unterschätzte Selbstironie».
Damit wären wir wieder bei Pauline Strauss-de Ahna. Auch sie muss einigen Humor gehabt haben; sonst hätte sie, wenn nicht nach der «Symphonia domestica», so doch spätestens nach dem «Intermezzo» vollzogen, was ihr Opern-Pendant Christine dem Kapellmeistergatten androht: «Wir sind für immer geschieden!»
Aber so weit kam es nicht. 53 Jahre lang hielt die Ehe von Richard und Pauline Strauss, bis sie beide 1949 kurz nacheinander starben.