Was kommt aus Wuhan, ist aber kein Virus?
Seit Beginn der Pandemie kennt jede*r die Stadt Wuhan. Vorher kannten sie zumindest unsere Schlagzeuger.
WUHAN: In grossen, gerundeten Buchstaben steht der Name der chinesischen Millionenstadt auf dem Tamtam, das demnächst in Béla Bartóks Konzert für zwei Klaviere, Schlagzeug und Orchester zum Einsatz kommt. Denn nicht nur als Ursprungsort der Corona-Pandemie ist die chinesische Millionenstadt berühmt, sondern in weit positiverem Sinn auch für ihre jahrhundertelange Tradition in der Produktion jeglicher Art von Gongs.
Dass ein Tamtam aus Wuhan kommt, ist für Schlagzeuger deshalb eine Selbstverständlichkeit. So sehr, dass es den Tonhalle-Perkussionisten Andreas Berger und Klaus Schwärzler bei den ersten Konzerten nach Ausbruch der Pandemie gar nicht in den Sinn kam, dass dieses Instrument im Publikum, nun ja: gemischte Gefühle auslösen könnte. «Erst als die Kolleg*innen spitze Bemerkungen machten im Stil von: Das Tamtam solle doch bitte Maske tragen – da ist uns der Schriftzug wieder aufgefallen».
Man hat das Instrument dann jeweils so aufgestellt, dass die Buchstaben von den Zuschauerreihen aus nicht zu lesen waren. Auch auf Fotos sind sie sehr gezielt nicht zu sehen. Aber entfernen lassen sie sich nicht: «Nagellackentferner wäre keine gute Idee», sagt Andreas Berger.
Ein Raunen im Saal
Auf älteren Tamtams, die das Tonhalle-Orchester Zürich teilweise schon seit Jahrzehnten besitzt, fehlt der Schriftzug. Aber auch sie kommen aus Wuhan, wurden dort gegossen und in Containern in den Westen verschifft. Es sind schwere Instrumente, es braucht mindestens zwei Leute, um sie zu verschieben. Und jedes ist anders: Schlagzeuger verbringen Tage damit, Tamtams auszuprobieren, bis sie das richtige gefunden haben.
Der Aufwand lohnt sich: Man hat es kürzlich in Prokofjews Sinfonie Nr. 5 gehört, man wird es bei Bartók wieder hören. Schlägt man ein Tamtam leise an, breitet sich der Klang wie ein Raunen aus im Saal – unheimlich kann es sein, oder geheimnisvoll. Ein kräftiger Schlag dagegen löst Wellen aus, eine metallisch gleissende zu Beginn, breitere, leisere, immer wieder anders gefärbte danach.
«Wellen», «ausbreiten»: Auch diese Worte könnten ungute Assoziation wecken. Aber wenn das Epizentrum ein Tamtam ist, verlieren sie ihren Schrecken. Oder mehr noch: Sie erhalten eine ganz eigene Magie.
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