André de Ridder (Foto: Marco Borggreve)
Debüt

André de Ridder, Grenzgänger

Der deutsche Dirigent stellt sich dem Zürcher Publikum mit zeitgenössischen Werken vor.

Susanne Kübler

André de Ridder sei «einer der tollkühnsten Dirigenten der Welt», schrieb einst ein Kritiker. Tatsächlich scheint der 1971 geborene Deutsche vor nichts zurückzuschrecken: nicht vor radikalen zeitgenössischen Partituren, nicht vor den grossen Werken der Vergangenheit. Und erst recht nicht davor, stilistische Grenzen zu überschreiten, die für ihn noch nie eine Rolle gespielt haben.

Oper und Orchestermusik, Jazz und Elektronik, avantgardistische Experimente und Independent-Pop: André de Ridder lässt sich auf alles ein, was seine Neugierde weckt. Er tut es an grossen klassischen Adressen und in allerlei Clubs, mit illustren Klangkörpern oder überraschenden Verbündeten. Mit dem Jazz-Pianisten Uri Caine hat er schon zusammengearbeitet, mit dem Elektronik-Duo Mouse on Mars oder mit unserem letztjährigen Creative Chair Bryce Dessner von The National.

Für seine Projekte hat er einerseits das Kollektiv stargaze gegründet, das sich mit Vorliebe für «nicht Klassifizierbares» engagiert oder neue Blickwinkel auf Vertrautes einnimmt. Besonderes Aufsehen erregten die Bearbeitungen von Beethoven-Sinfonien, deren Motive von Künstler*innen aus ganz unterschiedlichen kulturellen Himmelsrichtungen musikalisch oder visuell verlängert, verändert, hinterfragt wurden.

Andererseits ist André de Ridder seit Sommer 2022 Generalmusikdirektor des Theaters in Freiburg im Breisgau und damit Chef einer durch und durch traditionellen Institution. Hier dirigiert er Verdis «Don Carlos» und Humperdincks «Hänsel und Gretel», in sinfonischen Konzerten setzt er Mahlers Sinfonie Nr. 5 oder Beethovens Violinkonzert aufs Programm. Aber klar, das Zeitgenössische hat unter seiner Leitung mehr Gewicht als früher, auch mehr als üblich in einem Stadttheater. Vor allem aber kennt er auch hier keine stilistischen Grenzen: So lässt er das Orchester ausschweifen in die Clubs der Stadt, wo es als «Edel- Vorband» für die Gigs von diversen Formationen auftritt und sich selbstverständlich auch mit ihnen zusammentut.

Kein Wunder also, dass er für sein erstes Konzert mit dem Tonhalle-Orchester Zürich, das in Verbindung mit dem Festival Sonic Matter konzipiert wurde, ein rein gegenwärtiges Programm zusammengestellt hat – und mit Nico Muhlys «Register» gleichzeitig ein Fenster in die Vergangenheit öffnet. Dieses Orgelkonzert basiert nämlich auf einer Harmoniefolge des Renaissance-Komponisten Orlando Gibbons: eine Brücke über die Jahrhunderte hinweg, ganz im Sinn von André de Ridder.

November 2024
Fr 29. Nov
19.30 Uhr

Sonic Matter: André de Ridder

Tonhalle-Orchester Zürich, André de Ridder Leitung, James McVinnie Orgel Thorvaldsdottir, Muhly, Bjarnason
veröffentlicht: 11.11.2024

Tags