Ksenija Sidorova zu Gast beim Tonhalle-Orchester Zürich
Als Botschafterin des Akkordeons will Ksenija Sidorova sowohl die Klangwelten zeitgenössischer Kompositionen erforschen wie auch die Traditionen der Volksmusik aufleben lassen.
Mit ihrer ansteckenden Begeisterung vermag sie innert eines Abends ganze Konzertsäle für ihr vielseitiges Instrument zu gewinnen.
Wir unternehmen einen dritten und sicherlich letzten Anlauf, mit ihr, unserer ehemaligen Künstlerin im Fokus, das Werk «Prophecy» von Erkki-Sven Tüür, ehemaliger Inhaber des Creative Chair, auf die Bühne zu bringen.
Statt mit klassischer Musik und Orchester wird das Akkordeon meist mit Volksmusik und unterhaltender Strassenmusik in Verbindung gebracht. Doch wenn jemand etwas daran ändern kann – und das bereits getan hat –, dann ist es Ksenija Sidorova.
Die lettische Künstlerin ist bekannt für ihre unglaubliche Bühnenpräsenz, ihr breites Repertoire von Bach, Piazzolla bis Tango und nicht zuletzt für ihren Humor. Eigenschaften, die auch Paavo Järvi sehr an ihr schätzt. Beide teilen sie die Meinung, dass das Akkordeon auf den Bühnen der klassischen Konzerthäuser viel zu selten zu hören ist und dass das vielseitige Instrument viel mehr Aufmerksamkeit verdient: «Ksenija lässt sich Concerti schreiben, um ihrem hochinteressanten Instrument Gehör zu verschaffen», sagt Paavo Järvi, «eine kleine Orgel, ein handliches Klavier, das ist ja geradezu prädestiniert dafür, mit hochwertiger Literatur gewürdigt zu werden»
Nun endlich also ist Ksenija Sidorova nach ihren kammermusikalischen Auftritten in der Tonhalle Maag mit dem Orchester auf der Bühne der Grossen Tonhalle zu hören, nach dem wir ihre Auftritte zweimal pandemiebedingt verschieben mussten.
Akkordeonistin oder Sportlehrerein
Die Liebe zu ihrem Instrument verdankt Ksenija Sidorova ihrer Grossmutter, die es der damals achtjährigen Enkeltochter auf den Schoss setzte. Kam je etwas anderes, als die Musik in Frage? «Schwer zu sagen. Ich habe immer gerne Musik gemacht. Als Kind hatte ich zwar mehr Spass, einfach zu spielen statt zu üben. Doch üben macht einen grossen Teil meiner Karriere als Musikerin aus. Auf Russisch gibt es ein Sprichwort: Wenn du es liebst, auf einem Schlitten einen Hügel hinabzurutschen, musst du es auch lieben, ihn wieder hochzuziehen.»
Dass es aber kaum einfach werden würde, sich als klassische Musikerin auf einem derart exotischen Instrument durchzusetzen, war ihr trotz aller Zuversicht und Willenskraft klar. «Es gab Zeiten, in denen ich vielleicht zweifelte, ob ich meinen Lebensunterhalt als Akkordeonistin verdienen könnte.» In solchen schwachen Momenten, wie sie es nennt, habe sie Sportlehrerin werden wollen. Ein überraschender Traumberuf? Nicht für die energiegeladene Musikerin, die ein immerhin 20 Kilogramm schweres Instrument durchs Leben trägt. Sport spielt eine entsprechend wichtige Rolle, etwa das regelmässige Training im Fitnesscenter.
Am Ende habe sie immer an ihr Instrument geglaubt, und «an die Tatsache, dass es das Scheinwerferlicht in der Welt der klassischen Welt verdient».
Glück für uns, hat sie sich so entschieden. Am Donnerstag, 18. und Freitag, 19. November richten wir die Scheinwerfer auf Ksenija Sidorova und ihr Akkordeon und freuen uns auf Erkki-Sven Tüürs flirrend-opulentes Akkordeon-Konzert, das er extra für Ksenija Sidorova geschrieben hatte.
Ksenija Sidorova über «Prophecy» von Erkki-Sven Tüür:
«Die Leute haben oftmals Angst vor neuen Dingen – ob Essen, Theater oder Musik. Das Gleiche gilt für das klassische Publikum. Es kommt vielleicht mit einem leichten Zweifeln zu meinen Konzerten. Ich habe zu Beginn meiner Karriere gelernt, dass man sein Publikum für sich gewinnen muss. Es weiss nicht, was es erwartet, und ich muss ihm alles zeigen, was ich habe und das volle Potenzial des Akkordeons demonstrieren.
Das Konzert von Erkki-Sven Tüür tut dies mit maximaler Wirkung. Er fand eine Sprache für das Instrument, die perfekt zu einem Orchester passt und es bei Bedarf unterordnen und im nächsten Moment hervorstechen lässt. Tüür war Rockmusiker in den 70er Jahren – das hört man in diesem Konzert an seinem Einsatz des Basses und seiner rhythmischen Strukturen. Ein beeindruckendes Stück mit einer riesigen Klangwelt. Manchmal weiss man nicht, woher ein bestimmter Klang kommt – es ist wie bei einem Schatten, der wie der Schatten eines anderen Instruments klingt.
Ich mag, wie Paavo es interpretiert, seine Interpretation ist jedes Mal frisch, mit viel Liebe zum Detail. Und auch wenn es kein leichtes Stück ist für das Orchester, macht es doch dem ganzen Orchester Spass, da es ganz anders ist als übliche Violin- oder Klavierkonzerte.»