
Tanzen mit neurologischen Herausforderungen
Das erfolgreiche Projekt Connect, das die Tonhalle-Gesellschaft Zürich, das Opernhaus Zürich und das Kunsthaus gemeinsam durchführen, startet in die dritte Saison.
Connect ist ein Tanzprojekt für Menschen, die mit neurologischen Herausforderungen wie Multiple Sklerose (MS) oder Parkinson leben. Der Impuls dazu kam von der Ballettdirektorin des Balletts Zürich, Cathy Marston, die mit ihrem Ballett «The Cellist» die Lebensgeschichte der an MS erkrankten und früh verstorbenen Jacqueline du Pré erzählt. In Zusammenarbeit mit mehreren Partner*innen wurde ein Tanztraining für Menschen mit neurologischen Herausforderungen entwickelt. Musiker*innen des Tonhalle-Orchesters Zürich begleiten einzelne Sessions. Einige davon finden im Kunsthaus statt, wo Bilder oder Skulpturen die Bewegungen inspirieren. Die Trainings basieren auf der langjährigen Expertise der Dance & Creative Wellness Foundation, mitgestaltet werden sie von Mitgliedern der freien Tanzgruppe The Field.
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Warum Tanz und Musik?
Jüngste neurologische Forschungen sehen den Tanz als ideale Intervention bei neurologischen Krankheiten und Störungen wie MS oder Parkinson an. Sie betonen die Rolle von Tanz und Musik bei der Bewältigung motorischer Hürden sowie bei der Verbesserung des psychosozialen Wohlbefindens und der Lebensqualität. Die kreative Praxis und der Ansatz des Projekts Connect beruhen auf evidenzbasierter Forschung im Schnittbereich von Tanz und Neurologie. Bewegung bietet den Teilnehmenden die Möglichkeit, Verbindung mit sich und ihrer Umgebung zu schaffen. Tanzen formt und fördert Ausdruck, Körperhaltung und die eigene Kreativität.
Connect in der Saison 2025/26
Nach einer Sommerpause finden ab Herbst 2025 wieder wöchentliche Trainings in drei Gruppen statt. Diese werden von professionellen Tanzschaffenden mit entsprechender Expertise geleitet. Musiker*innen des Tonhalle-Orchesters Zürich werden in ausgewählten Sessions für Live-Musik sorgen. Inhaltlich konzentrieren sich die Trainings von Connect jeweils über mehrere Wochen auf eine Choreografie des Balletts Zürich, ein musikalisches Programm des Tonhalle-Orchesters Zürich oder eine Ausstellung des Kunsthauses. In den Sessions untersuchen die Teilnehmenden diese Werke aus verschiedenen Perspektiven unter der Anleitung der leitenden Künstler*innen. Die Teilnehmenden können so in eine musikalisch, künstlerisch und tänzerisch inspirierende Umgebung eintauchen.
Das Erlebnis wird bereichert durch gemeinsame Besuche in den drei Institutionen. In der Oper wird eine Orchesterprobe des Balletts «Romeo und Julia» von Cathy Marston besucht, in der Tonhalle die Generalprobe des Tonhalle-Orchesters Zürich unter der Leitung von Paavo Järvi mit Werken von Lalo und Bruckner. Im Kunsthaus Zürich gibt es eine dialogische Führung in der Ausstellung zur brasilianischen Künstlerin Lygia Clark.
Die wöchentlichen Tanzstunden werden am Freitagnachmittag im Vereinssaal der Tonhalle Zürich beziehungsweise in Sammlungsräumen im Moser-Bau des Kunsthauses Zürich angeboten.
Interesse an Connect?
Connect findet von Oktober bis Juli jeweils am Freitagnachmittag statt. Die Saison ist in drei Blöcke unterteilt. Wenn ein neuer Kursblock beginnt, werden freie Plätze in der Reihenfolge der Anmeldung verteilt.
In der Schweiz gibt es noch sehr wenig Tanzangebote für Menschen, die mit Parkinson oder MS leben. Wir nehmen das grosse Interesse an Connect von Betroffenen als Auftrag wahr, andere Institutionen und Tanzschaffende zu motivieren, Tanzangebote für Menschen mit MS, Parkinson und anderen neurologischen Herausforderungen in Zürich und anderen Regionen der Schweiz anzubieten. Ab Herbst 2025 wird es in Basel und Luzern neue Angebote geben, bestehende Angebote in Zürich, Bern und im Wallis werden ausgebaut.
In den nächsten Monaten werden wir an dieser Stelle einen Link zu anderen Tanzangeboten für Menschen mit neurologischen Herausforderungen in der Schweiz veröffentlichen.
Bei Interesse an Connect und Tanzangeboten in der Schweiz können Sie sich hier anmelden.
Finanziell ist das Projekt noch nicht ganz gedeckt. Aus diesem Grund hat Connect einen Spendenaufruf gestartet. Mit Ihrem Engagement können wir das Projekt gemeinsam realisieren und Menschen mit neurologischen Herausforderungen zu mehr Lebensqualität verhelfen. Vielen Dank!
Patronat
Cathy Marston, Ballettdirektorin und Chefchoreografin Ballett Zürich
Ilona Schmiel, Intendantin Tonhalle-Gesellschaft Zürich
Ann Demeester, Direktorin Kunsthaus Zürich
Kooperation
- Tonhalle-Gesellschaft Zürich
- Opernhaus Zürich / Ballett Zürich
- Kunsthaus Zürich
- The Field
- Dance & Creative Wellness Foundation
- Neurologische Klinik Universitätsspital Zürich: Parkinson Team und MS Team
- Elevate ® Scottish Ballet: Spezialist:innen des Tanzprogramms für Menschen mit MS
Unterstützt von
- Otto Beisheim Stiftung
- Freundeskreis Tonhalle-Orchester Zürich
Fragen und Antworten
Warum sollen Menschen mit neurologischen Herausforderungen tanzen?
Tanzen ist eine überaus vielfältige Tätigkeit. Sie verbindet physische, kognitive, kreative und soziale Aspekte. Tanzgruppen für Parkinson-Patient*innen gibt es seit 2001; ausgehend von einer New Yorker Gruppe hat sich die Idee mittlerweile auf allen Kontinenten ausgebreitet. Seit 2019 kamen ausgehend von einem schottischen Programm Tanzgruppen für Menschen mit Multipler Sklerose dazu. Connect ist das erste entsprechende Projekt in der Schweiz.
Ist Connect eine Tanztherapie?
Nein. Die Teilnehmenden werden als Tänzer*innen, nicht als Patient*innen angesprochen. Es haben aber alle Personen, welche die Trainings leiten, eine Expertise für die besonderen Herausforderungen dieser Trainings.
Was bewirkt Tanzen bei Parkinson-Patient*innen?
Bei Parkinson verursacht ein Dopamin-Defizit verschiedene Symptome: etwa die Schwierigkeit, Bewegungen gewollt zu initiieren und flüssig fortzusetzen, oder Gleichgewichtsprobleme. Weitere Stichworte sind Verlangsamung, Zittern, Freezing (wenn man sich bewegen möchte, aber nicht kann). Über 2000 Studien haben inzwischen belegt, dass körperliche Aktivitäten den Krankheitsverlauf verlangsamen können. Das ist auch deshalb wichtig, weil es bis heute keine Medikamente oder operative Massnahmen gibt, die das können. Das Tanzen gilt als besonders effektiv – weil es verschiedene Aspekte verbindet (u.a. Gleichgewicht, Koordination, flüssige Bewegungsabläufe, soziale Interaktion); dazu kommt die Musik, die als externer Taktgeber funktioniert und den Verlust eines inneren Taktgebers ersetzt, was insbesondere bei Freezing-Problemen helfen kann.
Was bewirkt Tanzen bei MS-Patient*innen?
Multiple Sklerose ist eine Krankheit mit ganz unterschiedlichen Symptomen und Verläufen. Es kommt zu Gleichgewichtsstörungen, Lähmungen, Gefühlsstörungen. Die Krankheit verläuft in der Regel schubweise; Symptome können wieder verschwinden, der gesundheitliche Zustand kann sich aber auch kontinuierlich verschlechtern. Es gibt inzwischen Medikamente und Therapien, die Krankheitsschübe effektiv verhindern können. Aber es gibt schwelende Entzündungen, die eine fortschreitende Behinderung verursachen können. Tanzen gilt auch für diese Krankheit als hilfreiche Tätigkeit, die neuroprotektiv oder gar neuroregenerativ wirken kann. Auch beim Fatigue-Symptom oder bei Konzentrationsschwierigkeiten, unter denen MS-Patient*innen teilweise leiden, kann Tanzen zu Verbesserungen führen.
Lassen sich solche Resultate belegen?
Ja. Studien haben gezeigt, dass Tanzen für das Gehirn besser zu sein scheint als normales Training. Mit bildgebenden Verfahren liessen sich Veränderungen in der kortikalen Struktur nachweisen, auch über Blutmarker lässt sich zeigen, dass es solche Veränderungen gibt.
Welche Wirkungen hat Tanzen neben den physischen Resultaten?
Tanzen macht Freude – schon kleine Kinder setzen jeden Rhythmus in Bewegung um. Tanzen kann auch bei Menschen mit neurologischen Herausforderungen die Stimmung verbessern, das Selbstwertgefühl stärken, die allgemeine Lebensqualität erhöhen. Dabei helfen neben dem Tanzen an sich auch die sozialen Kontakte in den Tanztrainings. Und: Tanzen hat im Unterschied zu pharmakologischen Massnahmen keine Nebenwirkungen.
Was ist das Besondere an Connect?
Es sind drei Aspekte: Erstens werden einige Tanztrainings von Musiker*innen des Tonhalle-Orchesters Zürich begleitet. Zweitens werden die Teilnehmenden zusätzlich zu den Trainings zu Probenbesuchen im Opernhaus Zürich und in der Tonhalle Zürich eingeladen und erhalten so einen Einblick in diese Kulturbetriebe. Und drittens sind mit dem Projekt Weiterbildungen für Musiker*innen und Tänzer*innen verbunden – in der Hoffnung, dass es künftig in der Schweiz mehr solche Anlässe geben kann.
Sind die Trainings ausschliesslich für Patient*innen mit Parkinson und MS gedacht?
Grundsätzlich ja. Es gibt aber im Anmeldeformular die Möglichkeit, auch andere neurologische Diagnosen zu notieren. Wir werden in diesen Fällen schauen, ob eine Teilnahme in diesem Rahmen sinnvoll ist.
Wie werden die Teilnehmenden ausgewählt?
Einerseits spielt die Reihenfolge der Anmeldung eine Rolle, andererseits geht es auch um eine ausgewogene Zusammensetzung der Gruppe. Wer keinen Platz erhält, kommt auf eine Warteliste.
Welche körperlichen Voraussetzungen müssen gegeben sein?
Es gibt keine körperlichen Voraussetzungen, man kann die Tanztrainings auch im Rollstuhl oder mit Rollator besuchen, und sowohl stehend als auch sitzend tanzen. Wichtig ist, dass sich die Teilnehmer*innen ihrer Grenzen bewusst sind (Sturzrisiko) und ihre Bedürfnisse mit den Kursleiter*innen und Assistent*innen kommunizieren können.
Was sind die Kosten der Tanzstunden?
Die Saison (von Oktober bis Mitte Juli) ist in drei Blöcke unterteilt. Der reguläre Preis pro Block beträgt 250.- CHF (für 11-14 Tanzstunden), es gibt einen reduzierten Preis von 180.- CHF für Wenigverdienende. Für Menschen, die das Projekt gerne zusätzlich finanziell unterstützen möchten, gibt es ausserdem die Möglichkeit, eine Spende zu machen. Neben den wöchentlichen Tanzstunden sind auch Probenbesuche des Balletts Zürich und des Tonhalle-Orchesters Zürich, sowie der Besuch eines Kunstworkshops im Kunsthaus Zürich inbegriffen.
Gibt es Behindertenparkplätze bei der Tonhalle?
Ja.
Wie soll man sich für die Trainings anziehen?
Möglichst bequem.
Wie läuft ein Connect-Training genau ab?
Eine halbe Stunde vor Beginn ist der Vereinsaal offen, es gibt Kaffee und Kekse für jene, die dann bereits eintreffen. Das eigentliche Training dauert eine Stunde. Danach kann man den Anlass noch einmal bei einem Kaffee ausklingen lassen.
Wie oft muss man trainieren, damit es etwas nützt?
Studien haben ergeben, dass zwei einstündige Trainings pro Woche ideal wären. Connect kann aus organisatorischen Gründen nur ein Mal pro Woche stattfinden.
Können Begleitpersonen bei den Trainings dabei sein?
Damit die Trainings für die Teilnehmenden einen geschützten Rahmen bieten, können Begleitpersonen in der Regel nicht zuschauen.
Werden die Resultate von Connect evaluiert?
Eine wissenschaftliche Evaluation ist nicht vorgesehen; das Projekt wird aber von Ärztinnen des Universitätsspitals Zürich beratend begleitet. Und auf jeden Fall gibt es am Ende jeder Saison eine Befragung, bei der die Teilnehmenden ihre Rückmeldungen geben können.
Wie ist Connect versicherungstechnisch organisiert?
Die Versicherung ist Sache der Teilnehmenden.