Rudolf Buchbinder (Foto: Marco Borggreve)
Porträt Rudolf Buchbinder

Beethovens treuester Fan

Doppelter Auftritt für Rudolf Buchbinder: mit Beethoven, natürlich – aber auch mit neuen «Diabelli-Variationen».

Susanne Kübler

Er ist ja eigentlich nicht auf Rekorde aus, der mittlerweile fast 77-jährige Wiener Pianist Rudolf Buchbinder. Es ging ihm nie darum, ein Werk am schnellsten zu spielen oder am langsamsten; seine Aufführungen sind weder auf interpretatorische Revolutionen noch auf Schlagzeilen ausgerichtet.

Aber fast wie von selbst haben sich im Laufe seiner nun schon 66 Jahre dauernden Karriere durchaus ein paar Superlative angesammelt. So dürfte er der einzige Pianist sein, der die 32 Beethoven-Sonaten in über 50 Städten (darunter auch Zürich) integral aufgeführt hat. Rund drei Dutzend historische Ausgaben dieser Werke besitzt Buchbinder – auch dies dürfte ein Rekord sein.

«Beethoven ist der sensibelste Komponist der Musikgeschichte»

Überhaupt Beethoven: Mit keinem Komponisten hat sich Buchbinder öfter auseinandergesetzt als mit diesem. Mit dem Klavierkonzert Nr. 1 hat er sich einst als Elfjähriger im Wiener Musikverein vorgestellt. Die Nr. 4, die er Ende Oktober unter der Leitung von Paavo Järvi mit dem Tonhalle-Orchester Zürich spielte, hat er wie alle anderen Beethoven-Konzerte hunderte von Malen aufgeführt – und drei Mal auf CD herausgebracht.

Da passt es durchaus, dass eine 2008 erschienene Autobiografie den Titel «Da capo» trägt. Buchbinder mag die Wiederholung, weil sie für ihn eben keine blosse Wiederholung bedeutet, sondern eine Vertiefung, eine Variante, die Entdeckung einer neuen Nuance. Auch im Gespräch erlebt man ihn so: Gewisse Geschichten und Formulierungen tauchen da mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit auf («Wissen ist Freiheit», «Beethoven ist der sensibelste Komponist der Musikgeschichte», «Ich mag kein Gemüse»). Aber sie klingen so, als erzähle er sie zum ersten Mal.

Das ist es, was ihn auch als Musiker ausmacht: Dass er in all den Jahrzehnten seine Frische nicht verloren hat. Dass er ein Beethovensches «Espressivo» immer wieder ein bisschen anders versteht. Dass ihm im Konzert manchmal ein Fingersatz «passiert», den er eigentlich anders spielen wollte. Und dass die Routine nie so gross wurde, dass sie das Lampenfieber verdrängt hätte.

Im Gegenteil: Das Lampenfieber werde im Alter grösser, sagt Buchbinder. Trotzdem (oder vielleicht auch gerade deswegen) bringt er seit langem nur noch Live-Aufnahmen auf CD heraus. «Im Studio fehlt die Nervosität, es fehlt die Emotion», sagt er. Und auf die Korrekturmöglichkeiten einer Studioproduktion kann er verzichten: «Meine Trefferquote ist ziemlich hoch» – auch dies ist ein klassischer Buchbinder-Satz.

Diabelli weiterdenken

Einen eigentlichen Volltreffer hat Buchbinder nun aber ausgerechnet mit einem Projekt gelandet, bei dem er auf bekannten Wegen für einmal eine ziemlich abenteuerliche Abzweigung nimmt. «The Diabelli Project» heisst es, und natürlich sind der Ausgangspunkt Beethovens 33 «Diabelli-Variationen». Buchbinder kombiniert sie mit jenen nur selten gespielten Variationen, die der Verleger Anton Diabelli bei den bekanntesten Komponisten seiner Zeit bestellt hatte: Werke von Schubert, Liszt, Czerny oder dem Mozart-Sohn Franz Xaver sind darunter.

Vor allem aber hat er im Hinblick auf das Beethovenjahr 2020 in Zusammenarbeit mit verschiedenen Orchestern – zu denen auch das Tonhalle-Orchester Zürich gehört – neue «Diabelli-Variationen» in Auftrag gegeben: Toshio Hosokawa und Jörg Widmann, Lera Auerbach und Tan Dun, Philippe Manoury und Max Richter, Rodion Shchedrin und Brett Dean und einige weitere haben sie komponiert.

Auf CD ist diese Sammlung bereits erschienen (bei der Deutschen Grammophon), auch im Konzert hat Buchbinder sie schon da und dort vorgestellt. Nun bringt er sie auch nach Zürich, ein bisschen später als geplant, wegen Corona. Aber das macht nichts, im Gegenteil: Zusammen mit den Aufführungen von Beethovens Klavierkonzert Nr. 4 ergibt sich so ein fast kleines Beethoven-Buchbinder-Festival. Schöner als so liesse sich nicht zeigen, dass für diesen Pianisten jedes Jahr ein Beethoven-Jahr ist.

November 2022
Fri 25. Nov
19.30

Rudolf Buchbinder – Klavierrezital

Rudolf Buchbinder Klavier Diabelli, Neue Variationen, Variationen aus dem "Vaterländischen Künstlerverein", Beethoven
October
Fri 28. Oct
19.30

Paavo Järvi mit Bruckner

Tonhalle-Orchester Zürich, Paavo Järvi Music Director, Rudolf Buchbinder Klavier Pärt, Beethoven, Bruckner
Thu 27. Oct
19.30

Paavo Järvi mit Bruckner

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Wed 26. Oct
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Paavo Järvi mit Bruckner

Tonhalle-Orchester Zürich, Paavo Järvi Music Director, Rudolf Buchbinder Klavier Pärt, Beethoven, Bruckner
published: 24.10.2022

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