Zora del Buono (Foto: Stefan Bohrer)
Zora del Buono

«Literarische Versuche müssen nicht glorios sein»

Zora del Buono hat anlässlich der Wiedereröffnung der Tonhalle Zürich eine dreiteilige Erzählung geschrieben: über die Liebe, die Musik, und natürlich über die Tonhalle.

Interview: Melanie Kollbrunner

Wir haben bei der Autorin Zora del Buono einen Text bestellt. Entstanden ist eine Erzählung zur Gesellschaftsgeschichte Zürichs und darüber hinaus, ein Kunstwerk voll Raffinesse und Zärtlichkeit. Ein Gespräch über den Prozess, der dazu geführt hat.

Zora del Buono, die Protagonistin des einleitenden Teils Ihrer Erzählung erlebt 1895 einen zauberhaften ersten Besuch in der Tonhalle anlässlich der damaligen, grossen Einweihungsfeier. Erinnern Sie sich an Ihren eigenen ersten Konzertabend in der Tonhalle?

Ja, ich war tatsächlich als kleines Kind mit meiner Tante Anni dort. Was gespielt wurde, weiss ich allerdings nicht mehr. Wahrscheinlich ein Kinderkonzert?

Auch 1895 gab es anlässlich der Eröffnung einen Textbeitrag, es war damals Ricarda Huch, die ein Stück schrieb. Sie zitieren zu Beginn Ihrer Erzählung Thomas Mann, der sie in höchsten Tönen lobt. Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Sie die Anfrage erreichte, nun mehr als ein Jahrhundert später auch einen Beitrag zur Eröffnung der renovierten Tonhalle zu schreiben?

Hoffentlich werde ich dem gerecht, dachte ich als erstes bang. Und dann: wie schön! Vor drei Jahren habe ich damit begonnen, Klavier spielen zu lernen. Das ist ein hartes Brot in meinem Alter. Aber es ist wunderbar, dass Musik in mein Leben getreten ist. Und deswegen war diese Anfrage für mich einerseits überaus ehrenvoll, andererseits schlicht eine grosse Freude. Und ein Hinweis, immer am Klavierspiel dranzubleiben, auch wenn es zwischendrin zäh ist. Aber das ist beim Schreiben nicht viel anders.

Haben Sie eine Carte Blanche erhalten?

Ja! Und ich wusste sofort, der Text muss a) mit der Huch zu tun haben und b) mit der Tonhalle. Dass sich die Orgel dann so in den Vordergrund schob, war eine Überraschung.

Die Musik tritt bei Huch als vierte Stadtheilige auf. Was geht Ihnen dazu durch den Kopf?

Was für ein brillanter Einfall. Auf so eine Idee muss man erstmal kommen.

Sie zitieren auch Charles Linsmayer, der letztes Jahr sagte, Huchs Text lasse sich in der heutigen Zeit kaum mehr zum Leben erwecken. Wie beurteilen Sie das? Musik indessen wird in der Tonhalle aus allen Zeiten zum Leben erweckt.

Das Stück, das die junge Ricarda Huch geschrieben hat, ist ziemlich wild, gar etwas verworren, schwer zu verstehen. Ich fand es charmant von Herrn Linsmayer, also DEM Kenner der Schweizer Literaturszene, darauf hinzuweisen, dass erste literarische Versuche nicht glorios sein müssen. Das ist auch ein Aufruf an junge Leute, die mit der Schriftstellerei erst anfangen. Macht weiter, wenn ihr das wirklich wollt.

Ihre Recherchen reichen von historischen Details bis nach Koper, wo heute die alte Tonhalle-Orgel steht. Wie sind Sie vorgegangen?

So wie ich immer vorgehe. Lesen, recherchieren, mir die Dinge dann ausmalen und versuchen, sie mit Leben zu füllen. Und natürlich bin ich nach Slowenien gefahren, um die alte Tonhalle-Orgel zu begutachten und mit dem Pfarrer zu sprechen, der alles zu verantworten hat. Ich stand dort und sah, wie ungeheuer glücklich die Slowenen über dieses Geschenk sind. Diese Freude wollte ich im Text auch ausdrücken.

Am Sonntag wird eine Frau die Orgel spielen – Margrit Fluor. Ihre Protagonistinnen sind Frauen derselben Familie, ihr Text ist auch ein Streifzug durch die hiesige Geschichte der Frau. Ein Motiv, das Sie einsetzen um zu zeigen, was gesellschaftlich geschehen ist seit der zentrale Ort des Geschehens, die Tonhalle, eingeweiht wurde?

Genau. Es geht vorwärts. Und das merkt man, wenn man sieht, wie schwer es früher für Frauen war, ihr Leben selbstbestimmt zu leben. Für mich schliesst sich so der Bogen von Frau Huch über meine Figuren Miggi und Octavia hin zu Frau Fluor.

Miggi, die Handlungsträgerin der ersten Kurzgeschichte, entdeckt voller Bewunderung die Autorin Ricarda Huch im Saal. Werden auch wir Sie am Sonntag in den Reihen sehen, wenn Stephanie Japp* Ihren Text liest? Was wird Ihnen wohl durch den Kopf gehen?

Es ist tatsächlich das erste Mal, dass ich einen Text nicht selbst lese, sondern vorgelesen bekomme. Das ist aufregend. Wenn’s zu aufregend wird, lenke ich mich mit den Deckenmalereien ab und denke mir Geschichten dazu aus.

*Anmerkung: Statt Stephanie Japp wird Miriam Japp den Text lesen.

www.zoradelbuono.de

Januar 2022
So 16. Jan
11.15 Uhr

Neu: Literatur und Musik mit Miriam Japp

Heinz Saurer Trompete, Laurent Tinguely Trompete, Paulo Muñoz-Toledo Horn, Marco Rodrigues Posaune, Bill Thomas Bassposaune, Margrit Fluor Orgel, Miriam Japp Lesung Brahms, Zora del Buono
veröffentlicht: 12.01.2022